E-Evidence-Verordnung
Die E-Evidence-Verordnung (EEVO) ist zum 18. August 2023 in Kraft getreten. Nach einer Übergangszeit von drei Jahren wird sie ab dem 18. August 2026 verbindlich gelten. Die Verordnung regelt den direkten grenzüberschreitenden Zugriff mitgliedstaatlicher Strafverfolgungsbehörden auf elektronische Beweismittel.

Die Verordnung (EU) 2023/1543 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 über Europäische Herausgabeanordnungen und Europäische Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafverfahren und für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach Strafverfahren – kurz E-Evidence-Verordnung (EEVO) – ist zum 18. August 2023 in Kraft getreten. Nach einer Übergangszeit von drei Jahren wird sie ab dem 18. August 2026 verbindlich gelten.
Regelungsgegenstand der EEVO
Regelungsgegenstand der Verordnung ist der direkte grenzüberschreitende Zugriff mitgliedstaatlicher Strafverfolgungsbehörden auf elektronische Beweismittel, die bei einem Anbieter von Diensten, die, im weitesten Sinne, elektronische Kommunikation ihrer Nutzer zum Gegenstand haben und auf dem Gebiet der Europäischen Union (EU) erbracht werden, unabhängig davon, ob der Speicherort der Daten innerhalb oder außerhalb der EU liegt.
Was bedeutet dies - wer ist betroffen, was wird europarechtlich geregelt?
Bislang erfolgt der Beweismittelaustausch zwischen den Mitgliedstaaten im Rechtshilfeverfahren. Rechtshilfeverfahren sind in der Regel komplex, zeitintensiv und damit aufwändig. Zugleich erschwert die Verschiedenartigkeit nationaler Instrumente als Grundlage für die Durchführung einer grenzüberschreitenden Beweismittelübermittlung die rasche, wechselseitige Unterstützung.
Demgegenüber ermöglicht die EEVO ausgehend vom Prinzip der gegenseitigen Anerkennung zukünftig den unmittelbaren Datenzugriff einer Strafverfolgungsbehörde bei einem Diensteanbieter in einem anderen Mitgliedstaat. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung besagt, dass Entscheidungen auf dem Gebiet des Strafrechts eines Mitgliedstaates in allen anderen Mitgliedstaaten auf Grund des Konzepts der Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen anerkannt werden. Für den Anwendungsbereich der EEVO bedeutet dies die grundsätzliche Anerkennung der verfahrensrechtlichen Entscheidungen, die die Voraussetzung für das Gesuch einer grenzüberschreitenden Beweisübermittlung darstellen.
Vor diesem Hintergrund stellt die EEVO nun einheitlich für alle Mitgliedstaaten die Instrumente der Sicherungs- und der Herausgabeanordnung zur Verfügung. Mit einer Sicherungsanordnung können elektronische Beweismittel unmittelbar von der anordnungsbefugten Justizbehörde eines Mitgliedstaates (dies ist der sogenannte Anordnungsstaat) bei einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Provider sichergestellt – d. h. dort für einen Zeitraum von 60 Tagen vorgehalten – werden. Die Herausgabenanordnung bewirkt eine direkte Herausgabe der Beweismittel an die anfordernde Justizbehörde. Auf diese Weise entfällt das Rechtshilfeverfahren.
Von den Regelungen der Verordnung erfasste Dienste sind beispielsweise Messenger, das Angebot von Zugängen zur Mobilfunk-/Festnetz-/Sattelitenkommunikation, VoIP, Online-Marktplätze mit Möglichkeiten einer Kommunikation zwischen Nutzern oder Plattformen für Onlinespiele. Als elektronische Beweismittel gelten Teilnehmerdaten, Inhalts- und Verkehrsdaten, die bei den Diensteanbietern im Zeitpunkt der an sie gerichteten Anordnung bereits vorliegen. Hiervon zu unterscheiden sind Formen der Erhebung solcher Daten, die erst zukünftig durch ein Nutzerverhalten entstehen werden. Diese sind nicht Gegenstand der EEVO.
Durchsetzbar sind die Anordnungen der EEVO gegenüber den Dienstanbietern jedoch nur dann, wenn diese über eine dem EU-Recht unterliegende Repräsentanz verfügen.
Um verbindlich abzusichern, dass Dienstanbieter über eine entsprechende Niederlassung bzw. bestellten Vertreter in einem EU-Mitgliedstaat adressiert werden können, wird die EEVO von der Richtlinie (EU) 2023/1544 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 zur Festlegung einheitlicher Regeln für die Benennung von benannten Niederlassungen und die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren, der sogenannten Vertreterrichtlinie, flankiert.
Regelungskontext – weitere internationale Rechtsakte für den internationalen Beweismittelaustausch
Der Vorschlag steht international im Kontext zweier weiterer Rechtsentwicklungen, die angesichts der wachsenden Bedeutung elektronischer Beweismittel Regelungen für einen erleichterten Zugriff auf von im Ausland gespeicherten Daten im Strafverfahren treffen: Im November 2018, zeitgleich mit der Vorlage des Kommissionsvorschlags zur EEVO, verabschiedete die USA den Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act (CLOUD Act) und der Europarat verabschiedete im November 2021 das Zweite Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarates über Computerkriminalität (sogenannte Budapest-Cybercrime-Konvention) über die verstärkte Zusammenarbeit und Weitergabe von elektronischem Beweismaterial.
Entwicklungshistorie – weitreichender datenschutzrechtlicher Klärungsbedarf
Während der nahezu fünfjährigen Entwicklungsphase der EEVO bis hin zur Vorlage der finalen Textfassung im Januar 2023 begegnete der Verordnungsvorschlag im innereuropäischen Gesetzgebungsverfahren verschiedenen Bedenken, so dass erst nach langen Trilogverhandlungen eine Einigung über den Verordnungstext erzielt wurde. Ein wesentlicher Kritikpunkt vor allem der DSK sowie des EDSA war die Sorge, die Vereinfachung des Beweiserlangungsverfahrens sei gleichsam eine Umgehung der Justizbehörden desjenigen Mitgliedstaates, in dem die (Sicherungs-/Herausgabe-) Anordnung zugestellt wird (sogenannter Vollstreckungsstaat). Zudem sei kritisch zu bewerten, dass es in der Folge allein dem Provider obliege, Feststellungen zur strafrechtlichen Rechtmäßigkeit der an ihn adressierten Anordnung zu machen. Insgesamt fehle es insofern an einer wirksamen Rechtmäßigkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung der Anordnungen.
In Reaktion auf diese Kritikpunkte wurde bei Herausgabeanordnungen, die auf Verkehrs- und Inhaltdaten gerichtet sind, ein Notifizierungsverfahren in die Verordnung aufgenommen, das die Verpflichtung zur Datenherausgabe für den Zeitraum von 10 Tagen suspendiert. Die über die Herausgabeanordnung notifizierten Behörden des Vollstreckungsstaates können innerhalb dieses Zeitraumen Ablehnungsgründe gegen die Anordnung geltend machen. Hierdurch wird eine Rechtmäßigkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung gesetzlich verankert. Weitere Ablehnungsgründe sind der Grundsatz ne bis in idem, die Feststellung, dass die Tat im Vollstreckungsstaat nicht strafbar ist, sowie der Schutz von Kommunikation bestimmter Personengruppen wie Berufsgeheimnisträgern, Journalisten unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes sowie Diplomaten. Im Wege der aufgenommenen Ablehnungsgründe wurde zugleich der Kritik mangelnden Schutzes sensibler Personengruppen sowie der Sorge Rechnung getragen, eine Strafverfolgung bei fehlender Strafbarkeit im Vollstreckungsstaat könne politisch motiviert sein. Zudem wurde klargestellt, dass den Dienstanbieter nicht die Pflicht zu einer generellen Rechtmäßigkeitsprüfung der Anordnung trifft, sondern lediglich die Pflicht zu prüfen, ob es in seinem Verantwortungsbereich zu Rechtskollisionen auf Grund entgegenstehender rechtlicher Regelungen in dem Staat, in dem die Daten gespeichert sind, kommt. Dies betrifft vornehmlich die Konstellation, in der der Diensteanbieter die Daten in einem Drittstaat speichert, beispielsweise in einer US-amerikanischen Cloud. Verantwortlich für die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Anordnung selbst ist die nationale Justizbehörde des Anordnungsstaates, die die Anordnung gemäß geltendem nationalen Recht erlässt.
Aus der Verantwortung des Anordnungsstaates für die Rechtmäßigkeit der Sicherungs- bzw. Herausgabeanordnungen folgt, dass Betroffene etwaige Widersprüche im Wege der Geltendmachung ihrer strafprozessualen Rechte im Anordnungsstaat nach dem Recht des Anordnungsstaates geltend machen müssen. Dass in den Mitgliedstaaten wirksame Rechtsbehelfe verfügbar und zugänglich sind, sichert die EEVO ab. Es besteht jedoch die Kritik fort, dass angesichts sprachlicher wie finanzieller Hürden die Geltendmachung strafprozessualer Rechte im Anordnungsstaat eine unverhältnismäßig hohe Belastung für den Betroffen darstellen könnte.
Links zu Originaldokumenten
- E-Evidence-Verordnung, finale Fassung
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen
- Zeitstrahl (Besserer Zugang zu elektronischen Beweismitteln für die Bekämpfung der Kriminalität)
- Richtlinie (EU) 2023/1544 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 zur Festlegung einheitlicher Regeln für die Benennung von benannten Niederlassungen und die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren
Zusatzinformationen
Arbeitshilfen zu Teil 3 des BDSG
- § 53 BDSG Muster Verpflichtung Datengeheimnis
- § 67 BDSG Muster mit Hinweisen DSFA
- §67 BDSG Anlage Methode einer Risikobewertung
- § 70 BDSG Muster und Hinweise Verfahrensverzeichnis
- Hinweise zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Protokollierung nach § 76 Bundesdatenschutzgesetz
- Zur Detailansicht der Publikation Arbeitshilfe – Grundsätzliche Unterschiede der Informationspflicht zwischen DSGVO und 3. Teil BDSG(Publikation kann heruntergeladen oder in den Warenkorb gelegt werden)